Das schwere Feuer von drüben schöpft Atem. Kein Schuß
kommt aus dem jenseitigen Graben. Nur fern, ganz fern hämmern Maschi-
nengewehre, und ein verirrter Kanonenschuß erinnert an den Krieg,
der keinen Feierabend kennt. Um ein kleines Licht im verräucherten
Unterstand liegt eine Gruppe alter Soldaten. Die Augen blicken auf den
Rauch der Pfeife, und ein „Junger" liest die Zeitung vor. Von Weihnachtsammlungen
ist die Rede.
Ein alter Wehrmann klopft nachdenklich die Pfeife aus. Es ist das dritte
Weihnachten, das er im feldgrauen Rock feiert. Einmal in Flandern, einmal
im Lazarett und nun wieder im Felde. Morgens kommt der Feldwebel. „Zwei
Mann zum Holzfällen in den Wald!" Fragend blickt er um sich. „Aber
ein paar Sachverständige, der Weihnachtsbaum soll geholt werden!"
Sofort sind mehr Freiwille vorhanden, als zu dem beliebten Geschäft
notwendig sind. Mit geübten Augen hat sich die Kompagniemutter zwei
Mann gefaßt. „Beilpicken mitnehmen und dann abmarschiert!"
An einer Waldschneise steht eine schön- gewachsene Tanne. Die wird auserwählt
und gekappt. Sorgsam, als handle es sich um eine eroberte Fahne, wird das
weihnachtliche Prunkstück heimgebracht. Heute ist der selbst so peinliche
Feldwebel zufrieden. Inzwischen sind die Künstler oder Angehörigen
verwandter Berufe aufgerufen worden und bemächtigen sich des Baumes.
Diesmal führt der Hauptmann die Aufsicht. Als Vater der Kompagnie
muß er die Baumschmückung selbst leiten.Draußen erhebt sich ein Freudengeschrei. Mißmutig tritt
der „Häuptling" an das Fenster, aber sofort hellen sich seine Mienen
auf. Der Festbraten ist angekommen! Ein hübsches Kalb schleppt man
zum Kompagniemetzger, der dem Festopfer liebevoll den Hals krault. Und
wieder kommt ein Jubeln zum Gehör des Kompag- niegewaltigen; der Weihnachtsmann
ist da! Eben ist ein Unter- offizier gekommen. Beladen und behängt.
Am
Brotbeutelband, am Koppel, an den Taillenhaken, an den Knöpfen, überall
hat er Päckchen angehängt, aus den Seitentaschen lugen zwei Flaschenhälse
verräterisch hervor, und das Gerücht erzählt, sogar in den
Hosentaschen hat er noch zwei versteckt. Die Rechte stützt sich auf
einen derben Knotenstock, und in der Linken trägt er noch einige Pakete.
So sieht der Weihnachtsmann aus. Eine ganze Rotte Korah drängt sich
um den Weihnachtsmann. „Was ist für mich...für mich...nichts
für mich"" So fragt es durcheinander, und je mehr gefragt wurde, desto
geheimnisvoller tut er und...verschwindet hinten im Hofe, wo schon eine
reiche Sammlung von Paketen und Kisten aller Art aufgestapelt ist.
Der Furier steht dabei und überwacht das Sortieren.Und dann kommt
die Nacht. Der Kalbsbraten wird ausgegeben, im Tee ist Rum und Rotwein.
Alles aus Anlaß des Tages. Endlich kommt der Befehl zum Antreten.
Es geht rascher als bei Alarm. Der Baum erstrahlt in hellem Glanz. Im offenen
Viereck wird angetreten, und der Kompagnieführer redet zu den Seinen.
Knapp und mit wenigen Sätzen. Die Sängerschar tritt vor den
Baum, und der Schulmeister in der Kompagnie und zugleich Gesangslehrer
schwingt den Taktstock. Nie ist das alte Weih- nachtslied von der stillen
heiligen Nacht wehmütiger und an- dächtiger gesungen worden.
Der ferne Donner der Geschütze begleitet den Gesang.
„So,
Leute" sagt der Hauptmann, „nun bekommt jeder seine Geschenke. Und dann...wird
ein Faß Bier angesteckt. Laßt´s euch gut schmecken!"
Das Verlesen der Pakete besorgt der Feldwebel selbst. Alle erhalten eine
Gabe, und wenn es nur die aus den allgemeinen Sammlungen heraus sind. Ein
paar Vergessene sind besonders bedacht worden.
Auch nebenan im Feldlazarett ist der Weihnachtsengel eingekehrt. der
Lichterbaum glänzt, Gaben sind verteilt, und in den rauhen Männergesang
klingt der Sopran der treuen Schwestern, die hier, dicht am Feind, das
Werk der Menschenliebe pflegen. Weihnachten an der Front, in Feindesland...!
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